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Es darf auch mal scheiße aussehen – und warum das wichtig ist

Last Updated on 31/08/2025 by CurleyInspire

Wir leben in einer Welt, in der „richtig“ oft wichtiger erscheint als „selbst erlebt“. Im Sattel sprechen wir dann oft von einer „korrekten Form“, einem „korrekten Sitz“ und „korrekter Hilfengebung“. Doch Wachstum – ob bei Mensch oder Pferd – passiert nicht nur in den Momenten, in denen alles perfekt läuft. Es entsteht vor allem dort, wo wir scheitern, ausprobieren, stolpern und wieder aufstehen.

Kein Mensch würde seinem Kind, das Laufen lernt, ein „Laufkorsett“ umschnallen, damit es sich ja nicht weiter nach links oder rechts lehnt. Wir lassen es seine ersten Schritte machen, auch wenn es wackelt, hinfällt und die Richtung verliert. Wir ermutigen es, wieder aufzustehen, bieten hier und da eine helfende Hand, halten kurz fest, wenn es nötig ist – und lassen dann wieder los. So findet das Kind seine eigene Mitte und entwickelt ein ganz eigenes Gangbild.

Auch ein Yogameister kann seine Figuren nur deshalb so lange und sicher halten, weil er vorher unzählige Varianten durchlaufen hat, in denen es nicht funktioniert hat. Jede dieser Erfahrungen hat ihn stärker und sicherer gemacht.

Warum gilt das überall – nur nicht beim Reiten?

Im Sattel sind wir oft Meister des Mikromanagements. Wir wollen jede Bewegung verwalten, achten darauf, dass es „in der Form“ bleibt, die sich für uns richtig anfühlt. Das Pferd wird in die Form „hineingeritten“, statt dass es selbst die Idee entwickelt, wie es gesund und im Gleichgewicht laufen kann.

Aber wäre es nicht viel wertvoller, wenn das Pferd nicht nur eine Form halten könnte, sondern aus eigener Erfahrung weiß, wie es sich selbst in gesunde Bewegungen bringt? Wenn es die Idee von „richtig“ nicht nur kennt, weil wir sie diktieren, sondern weil es sie selbst gespürt, ausprobiert und verinnerlicht hat?

Ja, das sieht am Anfang chaotisch aus. Es wird Phasen geben, in denen dein Pferd alles andere als lehrbuchmäßig läuft. Und genau das ist der Punkt. Diese Phasen sind nicht der Weg vom Ziel weg – sie sind der Weg zum Ziel hin.

Das Problem

Wir Menschen sind Kontroll-Junkies und Steuerungswesen. Wir wollen lenken, korrigieren und eingreifen. Loslassen fällt uns schwer. Aber genau das ist der Schlüssel. Gib deinem Pferd beim Reiten den gleichen Spielraum, in dem es lernen kann. Lass die Tür offen, durch die du es gerne hättest – und ermutige es, selbst hindurchzugehen.

Ein Pferd, das sich selbst erfährt, ist ein Spielpartner – kein ferngesteuertes Sportgerät.

Es wird nicht durch Mikromanagement gesund, sondern durch eigene Bewegungserfahrungen. Diese sehen nicht immer lehrbuchmäßig aus. Aber sie sind der Weg zu einem Pferd, das nicht nur geritten wird, sondern sich selbst tragen kann.

Interessanterweise gelingt uns das oft viel leichter bei der Bodenarbeit. Dort lassen wir die Tür offen, durch die wir unser Pferd gerne hätten – aber wir zwingen es nicht sofort hindurch. Das Pferd entdeckt die Idee, probiert aus, macht Fehler. Und dann passiert etwas Magisches: Dein Pferd wird zum echten Partner. Es arbeitet motiviert mit – nicht weil es muss, sondern weil es will. Und ja: Das Ergebnis wird besser aussehen, als du es jemals „herausreiten“ könntest.

Ja – diese Lernprozesse sehen nicht immer lehrbuchmäßig aus. Aber sie sind der Weg zu einem gesunden, mental wie körperlich starken Pferd. Ein Pferd, das nicht nur „in Form“ geritten wird, sondern das sich selbst tragen und ausbalancieren kann – weil es gelernt hat, wie.

Fazit

Lasst uns ab und zu das Laufkorsett weglassen. Hinfallen, aufstehen, weitermachen. Für ein Pferd, das wirklich aus eigener Kraft schön laufen kann – und Freude daran hat.

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